Das Steinmetzhandwerk und seine Traditionen


Die Geschichte
und ihre steinernen Zeugnisse

Die Kunst der Steinbearbeitung ist so alt, wie die Menschheit im allgemeinen. Schon in grauer Vorzeit nutzte man den schier unerschöpflichen Rohstoff Stein für mancherlei Zwecke. Vor allem bauten die Völker zu Ehren ihrer Gottheiten die gewaltigsten Bauwerke aus Stein. Hier seien nur erwähnt die Tempelbauten der Assyrer, der Salomonische Tempel in Jerusalem, die Pyramiden der alten Ägypter, die Tempel der Inkas und die Bauten der griechischen und römischen Antike. Noch heute, Tausende Jahre später, beeindrucken diese steinernen Zeugen der Vergangenheit und versetzen uns sehr technikverwöhnte Zeitgenossen ins Staunen. Hut ab, vor den Leistungen früherer Steinmetzgesellen und Meister. In unsere Gegend gelangte der Steinbau und die damit verbundenen umfangreichen Kenntnisse aus Mathematik und Geometrie durch die römischen Bauhandwerker. Der Nachwuchs bei der ArbeitVor allem waren es Mönche, die das Christentum verbreiteten und an zentralen Punkten ihre Klöster errichteten. Damit begann über mehrere Jahrhunderte hinweg eine Blütezeit des Steinbaues, die berühmte Baumeister und enorme architektonische und künstlerische Leistungen der Steinmetze hervorbrachte. Denken wir dabei nur an die vielen gotischen Kirchen und Dome.

Mailänder Dom

© Steffen Schmitz (Carschten) / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0



Steinmetz im Mittelalter

© Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden, hoher und nidriger, geistlicher und weltlicher, aller Künsten, Handwercken und Händeln ..." / von Jost Amman und Hans Sachs / Frankfurt am Main

Die Steinmetze und Bauhandwerker schlossen sich in den sogenannten Bauhütten zusammen und pflegten sehr intensiv alte Traditionen, die wichtige Kenntnisse und schützende Vorschriften zum Inhalt hatten. Wichtige Meilensteine dieser Traditionspflege waren die Ordnungen von Straßburg und Rochlitz aus den Jahren 1459 und 1462. In diesen Ordnungen wurden wichtige rechtliche und für die Ausbildung und Weitergabe der Steinmetzkunst nötige Regelungen niedergelegt. Kam es zum Verlesen der Ordnung, oder zum Küren eines neuen Meisters, oder zum Einstellen von wandernden Gesellen, oder zum Freischlagen der Diener (Azubis), immer geschahen diese Handlungen sehr feierlich, fast geheimnisvoll. Es fielen Begriffe wie: Rechtschaffen Eck und Kanten, Anschlag, Ansprechen, Zweispitzgruß, Hüttenstuhl, Lossprechen, Auflage, Achtort, die vier Gekrönten, Bernhard, Brütschen, die vierzehn Hauptschlüssel, usw. Jeder ehrbare Steinmetz hatte sein eigenes Zeichen und wichtige Utensilien wurden in der altehrwürdigen Innungslade verwahrt.

Geselle auf Wanderschaft stellt sich in Steinmetzhütte vor

Das Rochlitzer Steinmetzlied

Zu Rochlitz in dem Wald, wo unser Knüpfel schallt
wo die Nachtigallen singen, des Meisters Geld tut klingen
ist nichts als lauter Lust in unsrer Steinmetzbrust.

Wo kommen Burgen her und Schösser noch viel mehr?
Große Brücken über Flüssen die wir erbauen müssen
zu Wasser und zu Land hoch leb´ der Steinmetzstand.

Und ist ein Bau vorbei dann gibts ne Schmauserei
gut zu essen gut zutrinken, gebratne Wurt und Schinken
viel Bir und auch viel Wein, da ist gut Steinmetz sein.

Ist das Fest vorbei, dann gibt´s ne Keilerei
doch wir dürfen uns nicht schlagen, wir müssen uns vertragen
wir reichen uns die Hand. Hoch leb´ der Steinmetzstand!

Das Gelöbnis zur Lossprechung

Jeder Gesell soll seinem Meister in allen Stücken gehorsam sein
und die Gewohnheiten und Freiheiten seiner Hütte zu erhalten suchen.

Kein Gesell soll ohne Erlaubnis aus der Hütte gehen
und seine Arbeit versäumenoder blauen Montag machen.
Auch sollen die Gesellen in der Hütte nicht zusammen laufen um Geschwätz zu treiben
sondern ihrer Arbeit warten.

Die Gesellen sollen sich nicht zusammenrotten
und samt und sonders aus einer Förderung ziehen
um einen Bau hinterstellig zu machen.

Kein Gesell soll mutwillig Urlaub nehmen.

Kein Gesell soll wandern und Abschied nehmen
ohne vorher seine Schulden zu bezahlen.

Kein Gesell soll dem Anderen gegen Geld etwas lehren
sondern ein jeder soll dem anderen ein Stück um das Andere lehren
und unterweisen.

Ein ausgelernter Steinmetz soll den Steinmetzgruß
und das Handschenk niemand offenbaren,
soll auch versprechen dem Handwerk gehorsam zu sein
und dasselbe nicht zu schwächen.

Kein Gesell soll zu Meister gemacht werden
wenn er nicht wenigstens drei Jahre gewandert ist.


Eröffnung der Annaberger Steinmetztage

In heutiger Zeit sind leider viele der alten Traditionen in Vergessenheit geraten und somit auch Kenntnisse über wichtige Zusammenhänge für gemeinsames Leben und Arbeiten entschwunden. In einer Zeit, wo scheinbar alles mögliche und unmögliche machbar ist und manche gute Ordnung so nach und nach aufgelöst wird, scheint es uns um so wichtiger, die alten Traditionen wenigstens zu einem kleinen Teil wieder aufleben zu lassen. Seit 1998, dem Jahr der 100-Jahr-Feier der Steinmetzwerkstatt Wagler, haben wir versucht, das Lossprechen der Diener und das Vorsprechen eines wandernden Gesellen nach alter Tradition nachzuahmen. Dies wurde von der Steinmetz- und Steinbildhauerinnung Chemnitz übernommen und seitdem jedes Jahr recht feierlich zur Aufnahme der neu ausgelernten Azubis auf Schloss Augustusburg zelebrieret. Für alle Anwesenden immer wieder ein besonderen Erlebnis, das auch musikalisch mit alter Musik in alten Gewändern von den Sankt Annen Pfeiffern umrahmt wird. Übrigens, zu einem Gesellen wird nur der geschlagen, der vorher 3 Jahre gelernt und seine Prüfung theoretisch und praktisch bestanden hat. Zu dieser Ausbildung gehört auch der Besuch der Sächsischen Steinmetzschule in Demitz-Thumitz und des Europäischen Fortbildungszentrums für Steinmetze in Wunsiedel.

Schlagen eines Dieners zum Gesellen


Kinderwerkstatt

Eine gute Möglichkeit den Steinmetzberuf jungen Menschen nahe zu bringen sind sogenannte lebendige Werkstätten im Rahmen von Stadt- und Gemeindefesten. So waren wir schon öfter mit unseren altehrwürdigen Werkzeugen und in zünftiger Kleidung auf Handwerkermärkten zu sehen. Ganz besonderen Anklang finden bei Kindern und Jugendlichen unsere Kreativwerkstatt, eine große Haubank mit Steinstücken, Knüpfel und Eisen zur freien Entfaltung künstlerischer Talente. Wenn auch so mancher Schlag daneben geht und am Ende nur Schotter übrig bleibt, das Erlebnis mit eignen Händen am Stein gearbeitet zu haben, bleibt.

Blick in die Kinderwerkstatt

Gerne öffnen wir unsere Mildenauer Werkstatt für Schülergruppen aller Art und zeigen ihnen vor Ort, wie der Naturstein verarbeitet wird. Sei es mit modernen Maschinen und deren Diamantwerkzeugen oder auch die Bearbeitung mit Hand, wie sie schon die alten Ägypter pflegten.